04.04.2020 10:00

"Innenleben" im Haus der Kunst: Jugendliche verarbeiten äußere Einflüsse

Seit vielen Jahren verwirklicht unser gemeinnütziger Verein "ghettokids – Soziale Projekte e.V." zusammen mit dem Haus der Kunst kreative Angebote für Münchner  Hauptschüler/innen, die bereits seit Jahren keinen schulischen Kunstunterricht mehr erfahren und somit in ihrer kreativen Ausdruckskompetenz kaum gefördert werden. Dadurch bleiben nicht selten außergewöhnliche Talente unentdeckt.

Zusammen mit Anne Leopold, eine der sehr engagierten Verantwortlichen für das Atelier "Kinder & Jugend" im Haus der Kunst, bespricht und organisiert unsere 1. Vorsitzende kreative "Entdeckungsreisen", die bereits seit vielen Jahren ein fester Bestandteil des "ghettokids"-Projektes "Bilsuma" (Bildungssupermarkt) sind. In langen Vorgesprächen wird geklärt, welche der Ausstellungen für welche Altersstufe von Jugendlichen der 7. bis 9. Jahrgangsstufe – auch Kids mit kaum oder keinen Kunsterfahrungen – geeignet sind, um ihnen thematisch und vom Ausstellungsanreiz her zeitgenössische Kunst näher zu bringen und ihnen gleichzeitig eine Auseinandersetzung mit der globalen kreativen Ausdruckswelt zu ermöglichen. Ein grundlegendes Ziel ist immer wieder, den Blick der Jugendlichen – auch aus bildungsfernen Familien – auf die Welt zu schärfen, durch intensive Kunsterlebnisse ihren kreativen Erfahrungshorizont zu erweitern und den Mut zur aktiven Auseinandersetzung mit Hilfe von künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten zu fördern.

Für die Monate März / April 2020 waren drei Termine für Ausstellungsbesuche und anschließende Workshops im Haus der Kunst für insgesamt fast 90 Hauptschul-Jugendliche der 7. und 8. Jahrgangsstufe reserviert. Wegen der Ausgangsbeschränkungen auf Grund der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Schließungen der Schulen und auch Museen konnte nur ein geplanter HDK-Termin mit 30 Jugendlichen am 3. März 2020 mit dem Thema "Innenleben" verwirklicht werden.

Die beiden Folgetermine zu der aktuellen Ausstellung "Franz Erhard Walther", der sich künstlerisch vorrangig mit textilen Materialien ausdrückt, hätten die Jugendlichen der Hauptschule in den Workshops sicherlich zum kreativen Ausdruck in Höchstform inspiriert.

Zum HDK-Termin am 17. März 2020 sollten auch Bildungspaten des Unternehmens Intel Deutschland GmbH (Feldkirchen) teilnehmen, deren aktive Charity-Aktivitäten vorzeitig abgesagt und somit auch Opfer der gesellschaftlichen Auswirkungen des Corona-Virus wurden.

Zudem hatten die Gründerin der Schober-Müller-Stiftung, Frau Luise Müller und das stellvertretende Vorstandsmitglied der Stiftung, Frau Saskia Schulz vorgehabt, an dem zweiten Märztermin teilzunehmen, damit beide Stiftungs-Verantwortliche hautnah hätten miterleben können, wie ihre großzügigen Stiftungsspenden, für die unser Verein äußerst dankbar ist, jugendgerecht und äußerst effektiv in Kunstprojekten eingesetzt werden. Die Förderung von Kunst & Kultur liegen Frau L. Müller mit ihrer im Jahr 2016 gegründeten Stiftung sehr am Herzen. Dieser Anspruch hätte in dem Atelier-Angebot "Ausstellung & Workshop" im Haus der Kunst sicherlich seine Entsprechung gefunden.

Wir werden bis zum Schuljahresende zwar die beiden ausgefallenden HDK-Besuche in den gebuchten Ausstellungen nicht mit denselben Ausstellungsthemen nachholen können, aber ab Herbst 2020 werden hoffentlich wieder neue HDK-Aktionen in Kooperation angeboten werden können – falls die Auswirkungen der Corona-Pandemie dies überhaupt zulassen.

Wenn wir mit Hauptschülern Ausstellungen und Workshops im Haus der Kunst besuchen, wird bei der Organisation im Vorfeld immer schon darauf geachtet, ob die Jugendlichen bereits über HDK-Erfahrungen und auch über entsprechende Deutschkenntnisse verfügen. Regelklassen werden nicht selten von sogenannten "Seiteneinsteigern" besucht, d.h. diese Jugendlichen verfügen meist über geringe oder überhaupt keine Deutschkenntnisse. Aus diesem Grund werden oftmals vier Kleingruppen gebildet, die bei der Ausstellungsführung von sehr erfahrenen Kunstpädagogen, die alle selbst in unterschiedlichsten Kunstbereichen zusätzlich aktiv tätig sind, betreut. Diese an sich nicht billige Intensivbetreuung ist dem Organisationstalent von Frau A. Leopold zu verdanken. Auch ist selbstverständlich bei Bedarf auch für eine zweisprachige Übersetzung gesorgt. Für die Jugendlichen entstehen nicht die geringsten Kosten: die Ausstellung und der Workshop ist eine Spende des HDK-Fördervereins; die Unkosten für Essen, Trinken und evtl. Kunstpostkarten oder Plakate für die Klasse trägt unser gemeinnütziger Verein. So kann jede Schülerin und jeder Schüler sorgenfrei an einem tollen Kunstangebot teilnehmen.

Beim HDK-Atelier-Angebot "Innenleben" am 3. März 2020 gelang es den Kunstpädagogen Isabella Ulrich, Manuel Almagro Bonmati, Fabian Vogl und Gisbert Stach ohne Vorlaufzeit sehr einfühlsam bei der Begehung der Ausstellung und bei den Workshop-Aufgaben auf die Jugendlichen einzugehen und künstlerische Inhalte, Arbeitsaufträge und kreative Impulse auch in einfacher Sprache zu vermitteln.

Diese Ausstellung zeigte von vier Künstlerinnen "Bilder, Objekte und Rauminstallationen, in denen die Ursprünge von Dingen auf überraschende Weise in Frage gestellt werden" (Zitat: Ausstellungsprospekt). Und die Jugendlichen waren wahrlich überrascht. Interessant war, dass jeder Einzelne den Mut fand, seine Zuneigung bzw. Ablehnung zu dem einen oder anderen Ausstellungsraum mit seinen spezifischen Kunstwerken zu formulieren.

Im Workshop durften die Jugendlichen nach Lust und Laune Fotos und Textteile aus Zeitschriften herausschneiden, die für sie persönlich wichtig sind oder die ihren Humor – auch in Form von Provokationen – wiederspiegeln. Diese klebten sie wiederum auf und rissen sie anschließend mit einer bestimmten Technik wieder weg – "Informationen", die für sie in ihrem individuellen Leben eine Rolle spielen. Diese ausgefransten Teil-Nachrichten wurden dann in Form einer Collage auf ein buntes Gestaltungsblatt mal exakt und gerade, mal kreuz und quer mit Kleber fixiert. Diese Bildfragmente wurden dann zusätzlich mit Symbolen, Wortfetzen oder zeichnerischen Zusatzentwürfen "kommentiert". So gelang es, viele unterschiedliche aussagekräftige "Innenleben" zu gestalten.

In der Ausstellung waren die Jugendlichen sehr ruhig, konzentriert und wissbegierig. Ihre Kommentare zeugten von großem Interesse. Zuvor besprochene Verhaltensregeln wurden von den Kids eingehalten, sie verhielten sich stets respektvoll gegenüber den Kunstwerken und anderen Besuchern, gegenüber den Kunstpädagogen und ihrer Gruppe. Während des Workshops wurde viel und laut gelacht, angeregt diskutiert oder es wurden Tipps gegeben. Sehr erfreulich war, dass Kunstwerke anderer immer wertschätzend gewürdigt wurden. Eine ansonsten nicht selten "wilde" pubertierende Truppe wuchs in kürzester Zeit zu einer harmonischen Künstlergruppe zusammen.

Wir danken den Organisatoren vom Haus der Kunst – vor allem Frau A. Leopold und den engagierten Kunstpädagogen – wieder einmal ganz herzlich für ein außergewöhnliches Kunsterlebnis für "kunsthungrige" Kids.

Und der Schober-Müller-Stiftung danken wir für die großzügige finanzielle Unterstützung bei der Umsetzung dieser großartigen Kunstaktion.